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Krieg am Niederrhein

Die Ereignisse im Raum Wesel 1944/45

Willi Schlaghecken

Im Alter von acht Jahren erlebte Willi Schlaghecken, wie sein Elternhaus in Bienen mehrmals von Granaten getroffen wurde. Seine Mutter, sein Großvater und einer seiner Brüder wurden schwer verletzt.

Ich war damals achteinhalb Jahre alt. Zu unserer Familie gehörten Opa und Oma meine Eltern, wir sieben Kinder und unsere Tante Emma. In unserer Scheune waren ca. 8o Fremdarbeiter untergebracht, die hier in der Gegend Stellungen bauen mussten. In der Zeit vor dem Rheinübergang wurde emsig Waffen und Gerät gelagert. Die Bauern mussten mit Fahrzeugen auch Munition vom Bahnhof Empel holen. Ich fuhr manchmal mit.  Am 23. März, als der Angriff von der anderen Rheinseite her eröffnet wurde,  bekam meine Mutter im Keller ihr achtes Kind. Auch unser Haus wurde von der anderen Rheinseite her heftig beschossen. Ganze Wände brachen zusammen. In einem ruhigen Moment kam ich aus dem Keller und sah das der Kirchturm brannte und dann auf Schule und Lehrerhaus stürzte. Wir bekamen Granateinschläge im Keller und mussten in einen kleinen Gewölbekeller wechseln. An einem dieser Tage sah ich zu meinem Erstaunen einen Panzer unten am Kriegerdenkmal. Er drehte sein Rohr wohl zufällig genau auf mich. Schnell lief ich in den Keller und schon krachte es. Die Haustüre flog auseinander. Mein Opa wurde getroffen. Er hatte den Keller nicht mehr erreicht. Ein Bein war von einem Granatsplitter abgerissen.

In der folgenden Nacht wurde unser Haus von deutschen Soldaten beschossen. Es brannte. Bei einem Treffer vor dem Kellerfenster wurde mein Bruder Alfons von einem Granatsplitter getroffen. Meine Mutter bekam einen ganzen Berg Steine in den Rücken. Sie hatte starke Schmerzen. Abwechselnd kamen mal deutsche und dann englisch sprechende Soldaten in den Keller. Sie schossen in alle Ecken. Dann kamen wieder englisch sprechende Soldaten und forderten Decken an. Sie bedeckten damit ihre toten Kameraden. Dann holten sie uns aus dem Keller und wir wurden getrennt.  Oma und Opa und unsere Mutter sowie die Brüder Alfons und Josef wurden in einen Jeep gesetzt. Ab ging es mit Ihnen. Sie kamen in das Lazarett nach Bedburg-Hau. Mein Opa und mein Bruder Alfons sind dort an ihren Verwundungen gestorben. Wir, die wir zurückgeblieben waren, mussten uns in das Lager für Bienener Flüchtlinge auf dem Hof Aryus in Esserden-Reeserward, begeben.

(veröffentlicht in: Josef Becker, Bienen 1939-1945. Erinnerungen, Erlebnisse, Berichte, Bienen 1999)