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Krieg am Niederrhein

Die Ereignisse im Raum Wesel 1944/45

Godfrey Yardley

Der damals 20jährige diente als Lance-Corporal (Hauptgefreiter) im 2. Bataillon der Oxfordshire und Buckinghamshire Light Infantry. Diese etwa 800 Mann starke Einheit sollte als Teil der britischen 6. Luftlandedivision am 24. März 1945 im Bereich an der Issel nördlich des Hamminkelner Bahnhofs in 66 Lastenseglern landen. In jedem britischen Lastensegler vom Typ „Horsa“ konnten 25 Soldaten transportiert werden - das entsprach einem „Platoon“ (Zug). Yardleys Maschine flog an der Spitze des Verbands und erreichte als eine der ersten das Zielgebiet. Sein Bataillon erlitt bei der Luftlandung schwere Verluste - 104 Männer dieser Einheit starben. An der Güterstraße am Hamminkelner Bahnhof erinnert heute ein Gedenkstein an die Opfer.

Godfrey Yardley (1925-2015)

Etwa drei Flugstunden vergingen ereignislos, wie viele solcher Flüge zuvor - nur dass es diesmal in einen echten Einsatz ging. Die Dunkelheit wich einem herrlichen Morgen mit klarem Himmel und der Aussicht auf gutes Wetter. Der Anblick der Begleitjäger, die wir ab und zu sahen, vermittelte uns ein Gefühl der Sicherheit vor Angriffen der Luftwaffe.

Endlich kam der Rhein in Sicht, und als wir auf etwa 3.000 Fuß Flughöhe waren, wurde der Befehl gegeben, zwei Türen zu öffnen, eine vorne an Backbord und eine hinten an Steuerbord. Während ich vorne an Steuerbord saß, beobachtete ich, wie Ginger Belsham die vordere Tür hochzog. Genau in diesem Moment explodierte Flak unter der Backbord-Tragfläche, wodurch der Lastensegler nach Steuerbord abkippte und Ginger beinahe aus der Tür geschleudert worden wäre, doch er wurde vom Zugführer und einem Sergeanten zurückgezogen. Dies alles geschah innerhalb von zwei Sekunden, doch dadurch hatte der Mann noch einige Minuten zu leben, da er zu den 60 Prozent des Zuges gehörte, die bald darauf ums Leben kommen sollten. Die Absprung- und Landezonen waren in Rauch gehüllt, was den Piloten die Zielidentifizierung erschwert haben muss. Ich spürte den sanften Ruck, als das Schleppseil ausgeklinkt wurde, und im nächsten Moment senkte sich die Nase des Lastenseglers, als der Landeanflug begann. Für die Landung hakten wir alle uns mit den Armen unter - und jeder betete still für sich. Der Feind war auf uns vorbereitet und empfing und mit konzentriertem Flakfeuer. Da unsere Lastensegler an der Spitze unseres Regiments flogen, bekamen wir die volle Wucht des Beschusses ab.

Im Sinkflug mussten wir durch schweres Flakfeuer hindurch. Schon in diesen ersten Minuten verloren viele ihr Leben, darunter einer der Piloten, Sergeant Geoff Collins, während Sergeant Bill Rowland verwundet wurde. Ein Mann namens Shrewsbury, der mir im Lastensegler gegenüber saß, bekam eine Maschinengewehrsalve in den Rücken - und einige Kugeln flogen durch eine etwa 20 bis 25 Zentimeter große Lücke zwischen mir und Ted Tamplin, der rechts von mir saß, durch.

Einige der Steuerinstrumente des Lastenseglers wurden beschädigt, und es fehlte die Druckluft zum Betätigen der Landeklappen. Daher rauschten wir quer über die Landezone, über eine Eisenbahnlinie und die Issel hinweg und krachten frontal in ein Waldstück. Währenddessen wurde auch der Lastensegler Nr. 1 mit dem 17. Zug schwer von Flak getroffen und zerbrach in der Luft, wobei Männer und Ausrüstung herausgeschleudert wurden. Genau wie wir stürzte er ab, allerdings gab es dabei keine Überlebenden.

Britische Luftlandsoldaten in den Trümmern eines bruchgelandeten Lastenseglers

Ich hatte Glück: Ich hatte als einer von fünfen in der Mitte gesessen und hockte unverletzt noch immer angeschnallt auf meinem Sitz. Bis auf ein paar Schnittwunden und Prellungen waren wir fünf ok. (…) Einige andere Männer hatten auch überlebt, waren aber verwundet. Die meisten waren jedoch tot, darunter der Zugführer, ein Sergeant und zwei Korporale. Nur ein Korporal und ich selbst, ein Unteroffizier sowie sieben weitere blieben unverletzt. Die Verwundeten wurden vom Sanitäter des Zuges, Unteroffizier Greenwood, und Ted Noble versorgt, die in den folgenden Stunden hervorragende Arbeit leisteten. (…) Aufgrund der Informationen über die Stärke und Position des Feindes einigten wir uns darauf, dass es am besten wäre zu versuchen, sich zur nächstgelegenen alliierten Einheit, dem 1. Bataillon der Ulster Rifles, die eine der beiden Isselbrücken besetzen sollten, durchzuschlagen. Wenn wir auf geradem Weg zu ihnen wollten, mussten wir wie der Teufel über 900 Meter rennen, um sie zu erreichen. Wir waren acht Mann, die den Sprint schafften. Ted Tamplin hatte sich jedoch den Knöchel verletzt und bot an, bei den Verwundeten zu bleiben, wohl wissend, dass er wahrscheinlich gefangen genommen oder sogar erschossen werden würde. Er wurde gefangen genommen, entkam jedoch einige Tage später und konnte sich wieder dem Regiment anschließen. (…) Und so rannten wir, getreu dem alten Sprichwort „Wer kämpft und davonläuft, kann (vielleicht) überleben, um später weiterzukämpfen“, wie die Verrückten. Eine Reihe roter Baretts, die über ein offenes Feld hüpften, musste dem Feind, der sofort aus allen Ecken das Feuer eröffnete, als leichtes Ziel erscheinen, aber entweder waren wir sehr gut ausgebildet oder die Deutschen waren schlechte Schützen, denn keiner von wurde getroffen - oder vielleicht hatten wir nur ganz großes Glück?

Glücklicherweise hatten die Royal Ulster Rifles die Brücke eingenommen, und der Klang einer kräftigen irischen Stimme, die „Halt, wer da?“ rief, war uns äußerst willkommen. Wir überquerten die Brücke zwischen Feuerstößen aus Maschinengewehren und meldeten uns bei einem Offizier mit der Bitte um Krankenträger und Hilfe, um zu unseren Verwundeten zurückzukehren. Die Bitte wurde abgelehnt und mit dem Befehl verbunden, an Ort und Stelle zu bleiben. Schließlich kehrten wir am nächsten Tag – dem 25. März, meinem Geburtstag – zu unserem Regiment zurück.

(aufgezeichnet für die britische Website „The Pergasus Archive“ /www.pegasusarchive.org)